Ohne Insekten, kein Leben. Ihre Rolle im Öko-System ist derart existenziell, dass die Menschheit aussterben könnte, wenn es sie nicht mehr gäbe. Leider unternehmen wir derzeit so einiges, um das Insektensterben (und unbewusst unser eigenes) in einem Tempo voranzutreiben wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte.
Mal angenommen, die Insekten verschwänden unwiderruflich von unserem Erdball: Der Mensch würde ein erbärmliches und äusserst miserables Dasein fristen, ehe er sich selbst ausrottete. In der Natur – die wir nicht mehr Natur nennen könnten – wäre es nicht nur totenstill sowie farblos, weil es auch keine Blumen mehr gäbe. Es würde darüber hinaus brutal stinken. Schliesslich tragen Insekten auch dazu bei, uns von toter Biomasse zu befreien, indem sie Kadaver auffressen. Ebenfalls würde Humus nicht mehr abgebaut werden. Und weil Insekten auch Nahrung für andere Tiere sind, hätten auch wir Menschen viel weniger zu essen, als es heute (noch) der Fall ist. Wir müssten uns zwangsläufig mehrheitlich von Brot und Haferflocken ernähren, weil ohne die Bestäuber unter den Insekten kaum noch Obst und Gemüse wüchse. Ausserdem hätten wir sehr viel weniger Fisch und weder Schokolade noch Kaffee – nur um einige Beispiele zu nennen. Die Lebensmittelpreise würden ins Unermessliche steigen, was wiederum bedeutet, dass sich die meisten von uns kaum noch Nahrung leisten könnten. Und wie wir wissen, neigen mangel-/unterernährte Menschen zu martialischem Verhalten. Ein düsteres Zukunftsbild, aber leider alles andere als realitätsfern.
Neben dem Klimawandel sind unsere von Monokulturen geprägten Landschaften sowie die intensive Nutzung und Düngung der Wiesen eine Bedrohung. Zudem wurde zu spät erkannt, wie stark sich der Einsatz von Insektiziden, Fungiziden und Herbiziden sowie anderen Giften auf die Vogel- und Insektenwelt auswirkt. Für die Landwirtschaft sind Insekten Freunde und Feinde zugleich. Während die Bestäuber von grösstem Nutzen sind, bedrohen und zerstören Schädlinge ganze Ernten. Bauern müssen täglich einen Spagat machen, um schädliche Insekten im Zaun zu halten, damit ihre Erträge als auch die Grundversorgung unseres Landes mit Lebensmitteln gesichert ist. Das muss jedoch auch ohne Pestizide gehen, denn möglich ist es alleweil. Allerdings betrifft dies indes längst nicht nur die Landwirte, sondern im gleichen Masse die Gemeinden, welche Unterhaltsfirmen für ihre Grünflächen beauftragen, ferner die SBB sowie Hobbygärtner, Schrebergartenbesitzer und andere Private, die einen Garten instand halten. Gerade in den Privatgärten wird bekanntlich zu viel Gift eingesetzt und ausserdem nicht sachgemäss angewendet – teils mangels Wissen, teils mangels Interesse, sich professionell beraten zu lassen. Fünf bis zehn Prozent der in der Schweiz verkauften Pflanzenschutzmittel sind auf Privatpersonen zurückzuführen. Eine folglich nicht zu vernachlässigende Gruppe in Sachen Aufklärung und Motivation, künftig auf natürlichen Pflanzenschutz umzusteigen.
Ebenfalls mitschuldig am Artensterben ist der stetig steigende Anspruch der Schweizer Gesellschaft an Wohnraum, Mobilität und Ernährung. In Sachen Wohnraum ist besonders die Siedlungsentwicklung durch z. B. Bodenversiegelung oder eintönige Freiflächen sowie die Trockenlegung von Feuchtgebieten zu erwähnen. Genauso jedoch die Freizeit- und Sportaktivitäten in der freien Natur, die intensive Nutzung der Gewässer und des Gewässerraums, Chemikalien- und Nährstoff-Einträge in ökologisch sensiblen Lebensräumen, Lichtverschmutzung sowie der Verlust an Arten von Pflanzen und Mikroorganismen.
Die Zahlen sind alarmierend. Forscher sagen, dass es keine zehn Jahre mehr dauern wird, ehe wir die oben genannten Konsequenzen mit voller Härte spüren werden. Denn die Artenvielfalt der Insekten hat sich bereits fast halbiert (40 Prozent; je nach Studie und Region finden sich sogar noch viel höhere Zahlen). Und mit ihrem Verschwinden sterben, wie oben erwähnt, auch andere Tiere aus. Ohne Insekten gäbe es beispielsweise keine Frösche mehr, keine Eidechsen und andere Reptilien, keine Fledermäuse, kaum noch Fische und auch Vögel würden zugrunde gehen. Selbst fleisch- oder körnerfressende Vogelarten. Einerseits ergänzen diese ihren Speiseplan gerne mit Insekten, andererseits, und das ist das Elementare, brauchen sie sie für die Aufzucht ihrer Jungen. Und für jede Spezies gilt: Ohne Nachwuchs, keine Hoffnung.
Für all jene unter uns, die immer noch mit dem Argument um sich werfen, Studien seien reine Interpretationssache und Naturwissenschaftler, -forscher, -schützer und alle anderen Besorgten Nervtöter, Schwarzmaler und Lügner zugleich: Zahlen sind und bleiben dennoch Zahlen, die etwas bestätigen oder dementieren. So hat eine neue internationale Studie der Technischen Universität München (TUM) vom Oktober 2019 zu Tage gefördert, dass das Insektensterben gar viel drastischer ist als vermutet und die Lage folglich katastrophaler als angenommen. Egal, wie man die Zahlen dreht und wendet: Es ist fünf ab zwölf.
Nochmal, damit es sitzt: Ein intaktes Ökosystem, welches die Ernährung und Gesundheit FÜR UNS ALLE erbringt, ist ohne Insekten schlicht unmöglich. Weniger Insekten bedeutet, dass Leistungen auszufallen drohen, sich Schädlinge sowie invasive, gebietsfremde Arten ausbreiten (Neophyten) und die Bodenfruchtbarkeit zurückgeht. Und was die Vögel betrifft, machen es ihnen auch die lieben Hauskatzen sehr schwer.
Katzen sind die beliebtesten Haustiere des Schweizers. Rund 1,6 Millionen Katzen leben hierzulande (Statista, April 2018). In beinahe drei von zehn Haushalten ist ein Stubentiger anzutreffen (28 Prozent). Auf 100 Einwohner in der Schweiz kommen knapp 20 Katzen. Damit nimmt die Schweiz im europäischen Vergleich Platz zwei hinter Russland ein. Bloss: Die Schweiz ist bedeutend kleiner als Russland. Während in der Schweiz pro Quadratkilometer über 206,2 Menschen leben, sind es im grossflächigen Russland bloss 8,4. Mit anderen Worten: Pro Quadratkilometer leben in der Schweiz über 40 Katzen! Als wäre diese Zahl nicht schon erschreckend genug, kommt eine hohe Dunkelziffer hinzu. Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen: Die Schweiz leidet unter einem akuten Katzenproblem, das heisst, einer Katzen-Überpopulation. Denn wie Esther Geisser, Präsidentin des Network for Animal Protection (Netap) in einem Bericht des Tagblatts vom 18. Februar 2020 sagt («Tierschützer schlagen Alarm: Hunderttausende Katzen vermehren sich unkontrolliert»), gibt es neben den angemeldeten weitere schätzungsweise 100’000 bis 300'000 Katzen, die niemandem gehören, nicht kastriert sind und der Flora und Fauna unseres Landes massiv schaden. Die Streuner paaren sich zum einen mit der geschützten Wildkatze und verändern deren Genpool. Zum anderen jagen sie, wie Hauskatzen mit Auslauf auch, Vögel und andere Kleintiere, die sie nicht sollten. Die Vögel, die ohnehin schon um ihr Überleben kämpfen, haben es bei uns also besonders schwer.
Weltweit sind 13 Prozent aller Vogelarten bedroht, wobei in der Schweiz sogar drei Mal so viele (!) vom Aussterben betroffen sind wie im Rest der Welt. Nämlich ganze acht Prozent. Gar mindestens 40 Prozent der Vogelarten nehmen in ihrem Bestand rapide ab. Gemäss BirdLife schneidet die Schweiz sogar noch schlechter ab als ihre direkten Nachbarn. Interessant: Während gewisse Naturschutzverbände das sogenannte Beifüttern von Vögeln trotz allem ablehnen, weil man damit in das ökologische Gleichgewicht eingreife, befürworten sie andere wiederum. Zu Ersteren fragt sich bloss: Welches Gleichgewicht? Greift der Mensch nicht auch massiv in die Natur und damit in den Lebensraum der Tiere ein?
All dies sollte ernstlich nachdenklich stimmen, aber auch dazu anregen, in seiner eigenen, kleinen Welt etwas zum Guten zu verändern. Weil die Politik zu wenig unternimmt und Bauern sich lieber als Opfer sehen, statt auf ökologische Landwirtschaft umzustellen, hier 15 Tipps, wie jeder seinen Teil zu einer besseren und schöneren Welt beitragen kann:
1. Einen naturnahen Garten pflegen
2. Natürlichen Pflanzenschutz verwenden
3. Heimische Blumen/Kräuter pflanzen (Nahrung für Bienen, Schmetterlinge, Insekten)
4. Hecken nur so weit schneiden wie nötig (Lebensraum für Vögel und Insekten)
5. Keine Zierrasen anpflanzen
6. Wiese(n) natürlich wachsen lassen und möglichst wenig düngen
7. Blumige Unordnung zulassen, Kräuter blühen lassen
8. Alte Bäume stehen lassen (Nahrung und Lebensraum für Vögel, Insekten, Spinnen, Käfer)
9. Nistkästen für Vögel aufstellen
10. Auf giftige Mückensprays verzichten
11. Bei Freizeitaktivitäten auf die Natur und Tiere entsprechend Rücksicht nehmen
12. Sich eher gegen als für eine Katze entscheiden – und wenn, dann adoptieren
13. Weniger und bewusst einkaufen, v. a. nachhaltige bzw. Bio-Produkte
14. Bienenpatenschaften eingehen
15. Naturschutzprojekte unterstützen
P. S. Vielerorts stösst man auf den Tipp, Bienen-/Insektenhotels aufzustellen. Diese sind allerdings sehr umstritten, da sie die natürlichen Nistplätze nicht ersetzen. Die Tierschutzorganisation wildBee.ch rät sogar klar davon ab, da die unnatürliche Konzentration die Verbreitung von Parasiten begünstige. Ausserdem hätten die tatsächlich bedrohten Wildbienenarten gar nichts davon, weil die häufigsten Bewohner der künstlichen Nester die gehörnte oder die rote Mauerbiene ist, und diese bedürfen keiner Förderung durch den Menschen. Des Weiteren sind die meisten Bienen-/Insektenhotels leider falsch konzipiert und häufig nicht richtig verarbeitet, was die Gründe sind, weshalb die meisten unbesiedelt bleiben (z. B. zu grosse Röhrchen, die darüber hinaus an der Rückwand nicht fest montiert sind). Wenn man sich dennoch unbedingt ein Insektenhotel zutun möchte, dann sollte es den Bedürfnissen der Tiere entsprechen sowie von hoher Qualität sein. Testsieger 2020 ist das Bienen-/Insektenhotel Marie von Royal Gardineer. Der zweite Platz belegt das Insektenhotel 59502 Natura von Trixie.
Comentários